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09.10.2019

Graskarpfen – Sonnengott aus dem Fernen Osten!

Das Quecksilber zeigt 38 Grad im Schatten. Es weht kaum ein Lüftchen, die Wasseroberfläche liegt spiegelglatt da und die Sonne wirft einzelne Lichtbündel ans Ufer. Ich stehe barfuß mit kurzer Hose im 26 Grad warmen, knietiefen Wasser. Auf meiner linken Seite befindet sich ein großes Schilffeld. Die Halme rascheln. Was unter Wasser passiert, kann ich mir in diesem Augenblick lebhaft vorstellen. Eine Armada von Graskarpfen rupft kräftig das frische Grün des Schilfes ab. Mein Zielfisch ist somit schon einmal lokalisiert. Genau diesen will ich haben – einen Graskarpfen, auch Weißen Amur genannt.

Hitzeliebhaber

Die äußeren Einflüsse haben beim Angeln auf den kämpferischen Asiaten eine große Bedeutung. Graskarpfen sind bei Wassertemperaturen von mehr als 20 Grad überaus aktiv. Während andere Fische bei 26 Grad in eine Lethargie verfallen, drehen Graskarpfen erst richtig auf. Warum ist das so? Sie sind keine europäischen Fische, sondern stammen ursprünglich aus Zentral- und Südostasien. Genauer gesagt, aus Chinas riesigem Amur-Becken – von den Chinesen auch „Fluss des schwarzen Drachens“ genannt.

Ihr bevorzugtes Habitat sind somit ruhige, tiefe und warme Flüsse. Aber auch in wärmeren Seen und Teichen sind sie anzutreffen. Wassertemperaturen von mehr als 20 Grad sind in ihrer Heimat in den großen Fließgewässern keine Seltenheit, so dass sie mit reduziertem Sauerstoffgehalt bestens zurechtkommen. Der Appetit steigt dabei mit zunehmender Temperatur. Theoretisch ist es möglich, dass Graskarpfen an einem Tag ihr eigenes Körpergewicht konsumieren. In der Realität ist das zwar selten der Fall, dennoch gilt der Graser im wahrsten Sinne des Wortes als eine „Fressmaschine“.

Allerdings sind die Asiaten sehr schlechte Futterverwerter, so dass sie aus dem konsumierten Pflanzenmaterial nur wenige Nährstoffe herausziehen. Aber was genau fressen denn nun unsere „heißen Kandidaten“? Im Gegensatz zu unseren Schuppen- und Spiegelkarpfen sind sie richtiggehend Vegetarier. Graskarpfen lieben Wasserpflanzen wie Wasserpest, Seerosen, Froschbiss und verschiedenste Algen. Aber auch cellulosereiches und damit schwer verdauliches Schilf können die Graser verwerten.

Heißer Hotspot

Ich halte es wie mein heißer Asiat: Ich bevorzuge die warme Jahreszeit und fische in flachen Gewässerabschnitten – genau dort, wo die Wassertemperaturen am höchsten sind. Ein Versuch, in Tiefen von über acht Metern auf Graskarpfen zu angeln, scheiterte. Kein einziger Biss! Aus Erfahrung wird man klug, denn Graskarpfen halten sich zu gerne in flachen und warmen Gewässerbereichen auf.

Heute befische ich unterschiedliche Plätze. Die Würfel sind gefallen. Ein großes Seerosenfeld, welches sich vor meinem Angelplatz befindet, trifft meine Sympathie. Ich präsentiere eine Montage am Rand und lege den Köder sogar noch einen halben Meter in die Seerosen hinein. Die Erfahrung hat gezeigt, sobald ich mehrere Meter vor den Wasserpflanzen angele, habe ich deutlich weniger Bisse. Die Fische halten sich im Kraut auf und patrouillieren unmittelbar davor.

An diesem See gibt es eine Besonderheit: Der komplette Uferrand ist mit Schilf bewachsen. Wer große Schilffelder kennt, weiß, dass an der Kante, an der das Röhricht aufhört zu gedeihen, nicht unbedingt auch der Uferrand sein muss. Gelegentlich wächst das Schilf auch auf der Wasseroberfläche weiter und bildet große Polster. Eine Taucherbrille macht es möglich, mehrere Meter weit unter das Schilffeld hineinzusehen. Das Grün schwimmt förmlich auf dem Wasser. Darunter ist es bis zu drei Meter tief. Die Graskarpfen ziehen an den Schilfkanten entlang und fressen die jungen Triebe ab. Im Schilf gibt es immer wieder Kanäle. Gerne präsentiere ich auch eine Montage genau in einem solcher Kanäle und angele dann gewissermaßen sogar „im“ Schilf.

Montage ohne Kompromisse

Graskarpfen können mit ihrem nur leicht unterständigen Maul, das eine relativ harte Ober- und Unterlippe aufweist, Wasserpflanzen förmlich abreißen und zerkauen. Für uns Karpfenangler ist diese Erkenntnis wichtig, da wir daraus Rückschlüsse ziehen können, wie wir unsere Montagen präsentieren müssen. Ein normaler Karpfen kann durch sein deutlich unterständiges Rüsselmaul Köder gut vom Boden aufsaugen. Graskarpfen hingegen können Happen, die auf dem Boden liegen, zwar ebenfalls aufnehmen, aber deutlich mühsamer, als Köder, die etwas über dem Boden schweben. Daher verwende ich sehr gerne Pop-Up-Montagen, die ich teilweise bis zu 20 Zentimeter über dem Grund „stehen“ lasse.

Meine durchweg zirka 20 bis 30 Zentimeter langen Rigs sind relativ einfach gehalten, wobei ich zwei unterschiedliche Varianten verwende. Die erste besteht aus einem Kombilink, von dem ich die Ummantelung auf den vordersten Zentimetern herunterziehe. Ans Ende binde ich einen Wide Gape Haken an. Diese Form erzielt beim Graskarpfenangeln die beste Hakrate. Äußerst gerne verwende ich ein Modell mit nach innen gebogenem Öhr, das ich als klassisches No-Knot binde. Unsere neuen Radical Wide Gape Haken besitzen genau diesen Aufbau. Habt Ihr eventuell Angst, dass Haken aufbiegen könnten, wenn Fische ins Schilf oder in andere Hindernisse flüchten? Dann vertraut auf den Radical Wide Gape Strong! Da biegt garantiert nichts auf.

Meine zweite Montagenvariante besteht aus einem simplen Multi-Rig mit einem 6er Radical Chodda Haken. Durch das große, nach außen stehende Öhr lässt sich auch das dickere, ummantelte Vorfachmaterial simpel anknoten. Der Haken, welcher recht aggressiv im 45 Grad Winkel absteht, greift hervorragend im Fischmaul.

Da Graskarpfen im Verhältnis zu ihrer Körpergröße ein kleines Maul aufweisen, verwende ich bevorzugt 16 Millimeter Pop Ups. Natürlich besteht damit das Risiko, dass auch andere Friedfische wie Brassen oder Schleie solche Verführer aufnehmen. Mit einem 20 Millimeter Pop Up ließe sich sicherlich selektiver fischen. An meine Haken ködere ich gelbe Radical Rastafari oder Radical Yellow Zombie Pop Ups. Die enthaltene Buttersäure und der visuelle Effekt lässt die gierigen „Naschkatzen“ ziemlich schnell auf meine süßen Boilies aufmerksam werden. Der Rastafari ist zudem ein schnell arbeitender und weicher Boilie, der sich für das Angeln auf Graskarpfen ausgesprochen gut eignet.

Ich füttere neben Hartmais auch immer ein paar Kugeln in 16 Millimetern dazu. Ein kleiner Anteil Tigernüsse darf nicht fehlen, falls Spiegler oder Schuppis kurzfristig aus ihrer Sommerlethargie erwachen. Da jederzeit dicke Rüssler einsteigen können, welche ein völlig anderes Drillverhalten an den Tag legen, mit Fluchten in das Schilf oder in Seerosenfelder, habe ich meiner Hauptschnur noch ein 15 Meter langes Radical Tough Leader in 0,50 Millimeter Stärke vorgeschaltet. Diese abriebfeste und zugleich geschmeidige und monofile Leine nutze ich als Schlagschnur. Sie legt sich hervorragend am Gewässergrund ab und beugt unnötigem Schnurbruch vor. Auch eine Safety Clip Montage kommt zum Einsatz, damit das Blei ausklinken kann und der Fisch nicht unnötig gefährdet wird, wenn es mal erforderlich ist.

Ich hoffe, auch Euer Anglerherz schlägt für diesen Exoten. Wir sehen uns am Wasser

Euer Robin Illner, Radical Team