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04.03.2014

Wenn man den Wald vor lauter Wasser nicht mehr sieht ...

Die globale Erderwärmung war bisher für mich relativ unwichtig, denn ich konnte mir nichts genaues darunter vorstellen. Seit den letzten Angeltouren aber war ich gezwungen, mir Wissen in dieser Richtung anzueignen, um zu verstehen, warum das europäische Wetter momentan so verrückt spielt. Der Winter existiert nicht mehr, die Wasser- und Außentemperaturen sind im Februar höher als je zuvor und die Pegelstände der Flüsse schießen in die Höhe und zerreißen Dämme.

Vor einigen Jahren freuten wir Welsangler uns riesig auf steigendes Wasser; ich versuchte sogar Angeltrips nach den Hochwassern zu planen. Jeweils Ende März, im Sommer nach starken Regenfällen und Mitte November gab es in Italien einen ordentlichen Anstieg von über 4 m und wir fingen uns die Finger wund.

Seit dem Jahr 2013 gab es übertrieben gesagt, mehr Hochwasser-Zeiten als Niedrigwasser-Stände am Po. Die Abgrenzung der Jahreszeiten zwischen kalt und warm sind nicht mehr erkennbar, alles ist entweder einen Monat zu früh oder Monate zu spät. Die Natur spielt verrückt und die Fische haben längere Fress-Perioden als Ruhe-Perioden.

Im Jahr 2013 bin ich von Februar bis Mitte Mai im Regen gesessen und hatte neun Hochwasser kommen und gehen sehen. Es war ein unglaubliches Frühjahr fern ab der Normalität. Die Fische waren voll bis oben hin und man spürte richtig, dass der Jagdtrieb der vollgefressenen Jäger immens nachgelassen hatte.

Auch das Jahr 2014 startet gleichermaßen: in Spanien herrschte zur Jahreswende eine unglaubliche Kältewelle. Bei der ersten Wintertour im Januar an den Po hatten wir einen Wasseranstieg von circa 6 m und frühlingshafte Temperaturen. Innerhalb von nur wenigen Tagen ist der Wasserstand zurückgegangen, um dann Anfang Januar wieder auf über 5 m in die Höhe zu schießen. Ich höre heute noch die lieb gemeinten, aber doch spöttischen Worte meiner Gäste, während wir uns durch den gefluteten Wald kämpften: „Das ist tolles Vertikalangeln, man sieht den Fluss vor lauter Bäumen nicht mehr ;-)“

Vom 8.-22.2.2014 sollten eigentlich die Black Cat Guiding Vertikal Touren am Po stattfinden, aber es kam wieder anders als erwartet und geplant: normalerweise zählt der Februar zur besten Zeit des Jahres, um träge Welse bei flachen Pegelständen mit der aktiven Köderführung zu fangen. Vor allem die Chance auf richtig dicke Winterwaller ist jetzt enorm hoch, da die Fische meist eng in bestimmten Flussgebieten zusammen liegen und Winterschulen bilden. Je wärmer es wird, desto mehr verteilen sich die Räuber und sind für uns Angler mit dem Vertikalsystem schwerer zu lokalisieren.

An erfolgreiches Vertikalangeln war nicht zu denken, vielmehr mussten wir uns schon Sorgen machen, das Camp und unsere Autos zu evakuieren, da das Wasser unaufhaltsam anstieg. Wir suchten uns die höchsten Punkte und versanken doch im Schlamm. Wir angelten mitten im Wald, auf Wasserflächen die riesig erschienen. Bereits nach nur wenigen Stunden sah die gesamte Ausrüstung wie nach einer Schlammschlacht aus. Der Dreck kroch bis in die kleinste Ritze und sogar der Salzstreuer war braun überzogen und Game Over.
Über Tage begleitete uns ein feiner Nieselregen, der langsam aber sicher alle trockenen Kleidungsgegenstände zermürbte. Jeder Schritt war anstrengend und die Hautschichten an den Händen trockneten rasend schnell aus, durch den Feuchtigkeit ziehenden Schlammüberzug.

Bei dieser Tour hatte ich auch zum ersten Mal seit über 16 Jahren Welsangeln mein Boot während des Angelns gesäubert. Es war nicht mehr auszuhalten in diesem Gemisch aus Sand und Lehm zu leben.

Aber der Einsatz hat sich gelohnt, zwar musste das Vertikalangeln vertagt werden, dafür aber war das Freestyle-Angeln umso erfolgreicher.

Ich bedanke mich bei unseren Gästen für die Kampfbereitschaft und das Durchhalten bei diesen teilweise wirklich krassen Verhältnissen im gefluteten Wald des Fiume PO und natürlich bei der Familie Heiner (Welscamp am Po) für ihre Gastfreundschaft.

Viel Spaß bei den Fotos ;-)
Black Cat Guiding-The Best Way to Catch
Grüße Euer Stefan