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03.02.2014

Wenn Alles gegen einen spricht, dann erst Recht

Winterwels, ein Modetrend der Neuzeit, an dem ich sicherlich nicht unschuldig bin. Denn in den letzten Jahren hatte ich öfters bewiesen, dass selbst bei Eis und Schnee Großwelse zu fangen sind. Dabei schütteln viele den Kopf und fragen mich, warum ich diesen Wahnsinn auf mich nehme und bei widrigen Wetterlagen tagelang am Wasser sitze, an denen man nicht einmal einen Hund vor die Tür schicken würde. Ganz einfach! Nur der Versuch macht klug und das Extreme, fern ab, der idyllischen, warmen Sommernächte macht für mich den Reiz aus!

Auch in diesem Januar 2014 hatte ich drei Gäste an Bord, die den Winterwaller Wahnsinn live miterleben wollten. Das Ziel der Tour war der Po Mittellauf und bereits Tage vor Beginn dieser Wintersession sprach vieles gegen den Trip: der Po führte extreme Wassermassen. 6 m über Normal lauteten die Meldungen in der italienischen Presse, die ganze Orte zeigte, die von den Wassermassen verschlungen waren, weil einige Dämme gebrochen waren.
Einen Tag vor der geplanten Abreise hielt ich noch mal Rücksprache mit Bernhard Heiner vom Welscamp am Po und erkundigte mich über die Lage: der Pegel stagnierte, alles war für eine Evakuierung vorbereitet! Keine einfachen Voraussetzungen, aber „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt“ so meine Devise. Also begab ich mich am vergangenen Mittwoch auf die Reise.

Als ich am Abend in Italien ankam, lag eine riesige Wasserfläche vor meinen Füssen, der Strom war sehr schnell und begann bereits zu fallen. Ich nutze die verbleibenden Stunden, um mein Boot zu organisieren, das Tackle vorzubereiten und ein paar Stunden Schlaf zu finden. Bevor meine Gäste aus Österreich eintrafen, ging es Donnerstag früh aufs Wasser, um eine erste Erkundungstour zu machen und Plätze anzutesten. Die Fließgeschwindigkeit war enorm. Man konnte im wahrsten Sinne des Wortes stündlich beobachten, wie das Wasser aus den Überschwemmungsgebieten ablief, es rauschte richtig. Ich kämpfte lange mit meiner Entscheidung über die Platzwahl der ersten Nacht und entschied mich dann doch in ein recht unauffälliges Überschwemmungsgebiet zu fahren und dort zu fischen. Viele können es sich gar nicht vorstellen, unter solchen Umständen ganz allein los zu ziehen, ich persönlich bin aber seit Jahren für solche Vorhaben perfekt organisiert und weiß, was ich mir zumuten kann.

Das wichtigste war, mein Boot weit genug im Wasser zu verankern, denn ich hatte die Befürchtung, dass in den nächsten 10 Stunden der Wasserstand weiter rapide abnimmt und mein Boot vielleicht bald auf dem Trockenen liegen könnte. Ich entschied mich dann doch am Ufer zu schlafen, da ich zuviel Gerät an Bord hatte. Doch vorher wollte ich mir noch was Schnelles kochen, um dann gemütlich und mit Spannung hinter den Ruten die Ruhe zu genießen. Meine ersten Schritte am Ufer zeigten mir gleich, was Sache war: der Schlamm spritzte und überall versank ich knöcheltief. Binnen Minuten hatte meine Kleidung eine perfekte Tarnung erhalten.

Ich legte drei Fallen aus. Alle Köder kamen dicht an die Bäume, wo eine alte Rinne verlief, in der ich die ziehenden Fische vermutete. Gegen Mitternacht waren weitere 80 cm Wasser weg und ich machte mir ernsthafte Gedanken, ob ich bis zum Morgengrauen hier ausharren oder vielleicht doch lieber sofort mit dem Boot aus dem leerlaufenden Waldgebiet verschwinden sollte. Ich ging zwar das Risiko ein, stellte mir aber stündlich den Wecker, um den Wasserstand zu kontrollieren und mein Boot notfalls weiter zu versetzen. Gegen fünf Uhr, eigentlich hatte ich schon mit der Nacht abgerechnet, ging die Rute krumm und ich stand im Schlamm und drillte ... Und im Morgengrauen baute ich noch schnell mein Stativ auf, um ein Erinnerungsfoto zu machen und eine kurze Videosequenz mit dem Fisch zu filmen.

Völlig verschlammt bis unter die Nase fuhr ich auf den letzten 80 cm Wasser unter dem Kiel aus dem Überschwemmungsgebiet heraus und steuerte in Richtung Camp. Dort erwarteten mich schon meine Gäste Michael, Tanja und Stefan. Ihre Blicke wirkten leicht skeptisch, als wir uns begrüßten. „Mit einem Schneewels wird es wohl nichts werden“ sagte ich spöttisch, dafür versprach ich aber eine garantierte Schlammpackung ...
Gegen Mittag hatten wir mein Boot beladen und die Tour begann. Zu diesem Zeitpunkt war der Wasserstand auf 4 m über Normal, Tendenz schnell fallend. Noch immer gab es genug Ecken, wo der Po durch die Wälder drückte und genau dort boten wir die Köder an. Aber nicht flach an der Oberfläche wie zur Sommerzeit, nein eher möglichst tief, kurz über Grund. Oberflächenaktivität war nicht zu verzeichnen und so mussten die Fische tief fressen, falls sie überhaupt noch fressen sollten. Einige glauben, das Winterhochwasser habe mit seinen eisigen Wassertemperaturen den Welsen auf den Magen schlagen, aber das ist Quatsch. Sobald der Fluss braun wird und steigt, werden die Räuber aktiv. Die Wassertemperatur spielt dabei eine eher nebensächliche Rolle.

Bis das Camp notdürftig stand, sahen wir aus wie nach einem Woodstock Festival: jeder Schritt versank 20 cm tief im Boden und der Schlamm klebte wie zähe Masse am Stiefel. Die Nacht verlief ruhig, für meinen Geschmack zu ruhig, doch ich spekulierte durch meine Erfahrung aus der letzten Nacht auf die Morgenstunden und erhoffte mir dann eine Aktion. Um 7 Uhr morgens lag leichter Nebel auf dem Fluss und während die kalte Luft in mein Zelt kroch, blickte ich auf die Ruten.

Im nächsten Moment ertönte eine leichtes „Kling“ der Glocke und eine Rutenspitze begann zu zittern. Das Zittern verstärkte sich und plötzlich kam die Spitze zurück, die Reißleine war durch ... „Biss, Biss“ schrie ich und Michael stürmte los. Wir kämpften uns durch den Schlamm ans Wasser und stiegen sofort ins Schlauchboot. Anfangs kam der Fisch ganz ruhig auf uns zu, doch am Boot begann der Tanz. Die Fin Nor Marquesa war auf Strike und der gesamte Blank der The Cat II schoss unter die Wasseroberfläche. 20 Minuten zog uns der Fisch stur hinterher und ich hatte Angst, dass er uns auf den tosenden Fluss rauszog, um dort noch tieferes Wasser zu gewinnen. Der Druck wurde er erhöht und Michaels Arme verloren an Kraft. Ich versuchte mit dem Motor noch mehr Gegendruck zu erzeugen, um den Fisch an die Oberfläche zu zwingen. Es gelang und ich bekam den mächtigen Kiefer zu fassen. Als ich den Fisch gesichert hatte und diesen ins Boot ziehen wollte, kippte ich fast aus den Latschen. Der Schädel deutete zwar auf einen guten Fisch hin, der Körper aber war monströs und glich einer Ultra fetten Röhre. Als der Fisch dann ausgestreckt im Schlauchboot lag, erkannten wir erst richtig die Ausmaße dieser Fressmaschine.

Die Fotosession am Ufer war heftig: der weiche Boden gab nach. Das Gewicht des Fisches war enorm und es war kaum möglich, den Giganten anzuheben, geschweige dem zu Umgreifen. Der Einsatz hatte sich schon jetzt gelohnt, solch ein Kaliber, bei Umständen, die wirklich grenzwertig waren.

Dieser Fisch war der letzte aus den Überschwemmungsgebieten. Das Wasser fiel jetzt rasend schnell und wir zogen in den Hauptstrom zurück, um dort weiter zu jagen.
Die gesamten Uferpartien waren vom Schlamm überzogen. Es wurde merklich kälter. Nachts gab es Frost und dann folgte noch Dauerregen. Trotzdem blieben wir standhaft, kämpften weiter und versuchten wenigstens trockene Schlafsäcke zu behalten, alles andere war durch ...

Jeder Wels bei dieser Tour war die Aktion wert und gerade jetzt, wo ich seit sieben Stunden wieder Zuhause bin und im Büro die Fotos sichte, kann ich nur mit dem Kopf schütteln ;-)