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21.10.2013

Mit großen Schritten Richtung Vollmond

Es war mal wieder soweit und die nächste Vollmondtour stand auf dem Plan. Vier Österreicher waren heiß auf die Tour und für sie das erste mal bei einer von meinen dabei zu sein. Ich war selber heiß auf die Fischerei, denn Vollmond ist hier in Spanien etwas Besonderes. Vier Jahre beobachtete ich, dass von drei Tage vor bis drei Tage nach Vollmond im See irgendetwas Mystisches vorgeht und die großen Waller in eine Art Fressrausch verfallen, wenn denn die Bedingungen passen. Vollmond bringt oft starken Sturm mit sich, was die Fischerei manchmal zur Tortur werden lässt. Punktgenau Bojen setzen bei Wind bis 70 km/h ist unmöglich, des weiteren springen die Köder an der Boje wie ein Bungeejumper am Seil, was die dicken und erfahrenen Waller sehr misstrauisch macht.

Wir starteten in die Woche am See mit mäßigem Ostwind bei sonnigen 28 Grad. Ein passender Platz war sehr schnell gefunden und zwar weit weg vom Schuss, wo Ruhe herrscht und jede Menge Bäume unter Wasser standen. Der perfekte Ort für diese Bedingungen, die gerade herrschten. Wir füllten unsere Zwiebelsäcke mehr als sonst und nahmen nicht einen, sondern zwei. Außerdem kamen Bojen zum Einsatz, die das doppelte Volumen hatten als der Standard, da ich keine Experimente mache, wenn ich im Holz mit der Festmontage fische. Genau an solchen Plätzen gibt es meistens sehr dicke Überraschungen, die bei den meisten Anglern allerdings in den Bäumen verloren gehen, da sie einfach nicht glauben können, dass ein Waller gerne mal mit einem 20 Kg-Sack am Festbojensystem ins Holz verschwindet.

Beim Bojen setzen im Holz sollte man sich deshalb sehr viel Zeit nehmen und sich gut mit dem Echolot vertraut machen, denn keinem ist damit geholfen, wenn der Waller inklusive System und Schnur in einem Unterwasserhindernis verschwindet und abreißt. Deshalb immer genügend Sicherheitsabstand einplanen, weil ein guter 2m-Waller zeigt dir jeden Baum an, wo er hin möchte – besonders in den ersten fünf Minuten im Drill.

Meine Bojen waren nach einer Stunde mit genügend Abstand an ihren Bestimmungsort und das Warten konnte beginnen. Ich erklärte meinen Gästen jetzt erst einmal das System von A bis Z und was im Falle eines Bisses nicht passieren darf und zwar „niemals die Spannung verlieren und immer richtig Druck machen“.

Die vier hatten bereits öfter am See gefischt, aber nie an solchen Plätzen mit einer Menge Holz unter Wasser. Dazu kam noch, dass der Uferplatz 8 m über der Wasseroberfläche lag und ein falscher Tritt zu einer Katastrophe führen konnte. Deshalb spannten wir Seile am Abhang, um schlimmeres zu vermeiden. Eine gute Nachtbeleuchtung ist ein Muss an solchen Plätzen. Die Sonne verschwand langsam hinter dem Berg und die Fischaktivitäten nahmen schlagartig zu.

Im nächsten Augenblick verneigte sich die erste Rute von uns und der Drill auf Biegen und Brechen im Holz begann. An der Reihe war der Jüngste der Truppe, der mächtig zu kämpfen hatte und alle Mühe hatte, die Rute von der Bordwand fern zu halten. Als wir an der Boje waren und ich den Fisch ausklinkte, passierte es doch und die Rute schlug direkt auf. Patrick schrie vor Schmerzen und er konnte den Druck nicht mehr standhalten.

Ich half ihm die Rute direkt wieder hoch zu reißen. Rudi, der mit auf dem Boot war, nahm ihm die Rute ab und drillte den Fisch direkt weiter. Nach weiteren fünf Minuten hatte er den ersten Kracher zur Landung bereit und ein Jubelschrei ging über den Ebro, denn der Anfang war gemacht! Schnell wurde der Waller versorgt und die Montage wieder scharf gemacht. Drei Stunden später schlug es auf der weitesten Boje ein und die Rute verneigte sich zum Halbkreis. Rudi war sofort an der Rute und drillte den Fisch souverän aus. Wieder ein Wahnsinns-Brett aus dem Holz, mit an die 2m der zweite gute Fisch in der Nacht. Wir bekamen noch zwei Fehlbisse in den nächsten Stunden.

Ich fuhr mit dem Boot raus aufs Wasser, um neue interessante Stellen zu finden. Was ich dann sah, gefiel mir gar nicht: eine Grünalge, die sich im Flussbett immer weiter breit machte. Das ist das schlimmste, was einem in Spanien passieren kann, dagegen ist selbst der Wind harmlos. Die Grünalge breitet sich dann auf alle Wasserschichten aus, nimmt dem Wasser den Sauerstoff und es setzt sich bei den Fischen in den Kiemen fest.

Die Folge ist, dass die Fische an Sauerstoffmangel sterben. Wir konnten beobachten, dass dort, wo tags zuvor noch Fische waren, nun nichts mehr auf dem Echo zu finden war. Als ich meine Köder kontrollierte, wusste ich schon bescheid. Alle Karpfen und Karauschen, die im Flussbett präsentiert wurden, waren tot. Sie hatten alle abgespreizte Kiemenbögen und aufgerissene Mäuler. Alles wie beschrieben trifft nur auf die Grünalge zu.

Ich beschloss dennoch den Platz so lange zu befischen, wie es ging. Die Uferpartien waren noch frei und man sah noch reichliche Fischaktivitäten. Aber wie sollte es anders sein, es gab für die nächsten zwei Tage noch eine Vorhersage mit richtig Sturm, also wieder Wetter für echte Kämpfer. 24 Stunden vergingen mit drei Fehlbissen und keinem Fisch. Ich endschied, den Platz eine letzte Nacht zu befischen, denn sicher war, dass hier was Gutes kommen musste.

Noch einmal wurden alle Bojen neu gesetzt und im Flachwasser in den verschiedensten Tiefen präsentiert. Nach zwei Stunden war die Arbeit erledigt und die Sonne verabschiedete sich hinter den Bergen. Wir waren alle sehr erschöpft vom Tag, durch die ständige Köderbesorgung bei Sturm, sowie vom Umsetzen der Bojen bei einen halben Meter hohen Wellen. Um 10 Uhr kehrte bereits Ruhe ein und wir versuchten zu schlafen.

Um 11 Uhr dann wurden wir alle von einer kreischenden Fin-Nor aus dem Schlaf gerissen. Der Wahnsinn, solch einen Einschlag in die Rute hat man nicht alle Tage, dass musste ein Guter sein. Schnell ging es mit Christian aufs Boot, denn vom Ufer hätte er nicht mehr lange standhalten können, der Fisch zog seit Minuten ohne Unterbrechung Schnur von der geschlossenen Rolle.

Chris kämpfte sich Meter für Meter an die Boje ran, denn sein Gegner kannte nur eins und zwar Vollgas. Als wir nach zehn Minuten endlich an der Boje waren, klinkte ich den Fisch aus. Christian japste aus vollen Zügen: „boha, hat der ne Kraft“. Die Freestyle war auf Volllast und das schon seit 20 Minuten, dann endlich gewann Christian die Oberhand und machte richtig Druck, bis er letzten Endes den Fisch das erste Mal an die Wasseroberfläche brachte. Was für ein Brett im Schein der Kopflampe – der Wahnsinn! Ich schätzte ihn weit über 2,40m. Nach weiteren 5 Minuten konnte ich den Waller dann sicher greifen und landen. Sofort legte ich das Maßband an welches uns am Ende 2,45 Meter anzeigte.

Die Freude war riesig und wir kamen erst einmal bei einem kalten San Miguel wieder runter. Mein Plan ging auf und ich freute mich riesig mit meinen Gästen. Was ich dann am nächsten Morgen sah, als der Wind abflachte, war erschreckend: Überall war die Grünalge und noch dichter als die Tage zuvor. Ich kontrollierte die Köder und alle waren tot, was ich bei dem Anblick erwartet hatte.

Mein Entschluss stand fest, Gewässer wechseln und das schnell, um keine Zeit zu verlieren. Ich wollte diesen Platz nur widerwillig verlassen, denn hier wäre unter normalen Umständen bei der Mondphase noch einiges passiert. Und somit beschlossen wir hinunter in den Zwischenstau zu gehen, um die letzten Tage noch erfolgreich hinter uns zu bringen.

Wieder mal eine weise Endscheidung, denn bereits beim Auslegen attackierten die Waller unsere Köder und so konnten wir in nur wenigen Stunden 6 von ihnen überlisten. Das ging an den nächsten Tagen genau so weiter, mit vielen guten Fischen und absolut glücklichen Gästen. Zum Schluss standen 26 Waller auf unsere Habenseite, mit 4 Stück von über 2m. Wären wir im See geblieben und hätten einfach weiter gemacht, wäre es einfach verschenkte Zeit gewesen, so haben wir sie bei weitem besser genutzt.

Versteift euch nie auf Sachen oder Gewässer, macht immer das Beste aus der Situation, damit ihr permanent erfolgreich bleibt.

In diesem Sinne nur Dicke.

Gruß Chris
www.chris-adventure-tours.com