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07.05.2019

Italien – Ouvertüre mit 2,30 Meter Wels-Gigant

Und ewig lockt der Wels! Das war unser Credo bzw. unsere Parole, die uns veranlasste, im März diesen Jahres – bei Wind und Regen hierzulande – uns ins sonnige Italien zu empfehlen. Das Wetter in Mitteleuropa entsprach schon eher der Jahreszeit, südlich der Alpen hingegen fehlte Niederschlag und die Temperaturen waren vergleichsweise hoch.
So war es nicht verwunderlich, dass uns der Po mit gut einem Meter unter Normal begrüßte, als wir an einem frühen Freitagmorgen das Wels Camp der Familie Heiner erreichten. Stefan und Benni beendeten an diesem Morgen gerade ihre ersten Guiding-Touren dieses Jahres. Bei einer Tasse Kaffee plauderten wir und wurden gleichzeitig über die aktuelle Fangsituation in der Wels-Szene am Po eingeweiht.  
Martin und mir steckten mittlerweile 36 Stunden in den Knochen, als wir anfingen, unsere Köder auszubringen. In der ersten Nacht entschieden wir uns für ein tiefes Lehmufer, welches flussab in eine Steinpackung überging. Ich mache es kurz: Wir hatten zwei Fehlbisse und schliefen 12 Stunden nahezu durch. Also, kein bahnbrechender Erfolg.
Die erste Tasse Kaffee am nächsten Morgen tat gut und schmeckt auf dem Fluss – wie immer – ganz besonders. Wir überlegten, zunächst einmal einen Tag zu investieren, um uns einen Rundumüberblick über den Fluss bzw. unseren Arbeitsplatz zu verschaffen. Das letzte große Hochwasser im November 2018 hatte den Fluss mehr als verändert. Seine neue Identität lag uns jetzt zu Füßen. Ehemals tiefe Naturufer waren völlig zugeschwemmt, mitten im Fluss erhoben sich Sandbänke, die teilweise keine 50 Meter vor Steinschüttungen endeten.
Nach ausgiebiger Location bezogen wir eine Sandbank. Wir hatten die Vermutung, dass sich hungrige Fische nachts auf die Sandbank schieben würden, um Beute zu machen. Zudem konnten wir flussauf unsere Köder im Totholz präsentieren und am Naturufer angeln. Ich sehe es gern, wenn ich von meinem Platz aus unterschiedliche Bereiche befischen kann. Am späten Abend sorgte dann die Topwater-Rute im Totholz für Aufregung. Nach kurzem Drill zeigte sich ein halbwüchsiger Wels an der Oberfläche. Immerhin, der Anfang war gemacht, die Größe ließ aber noch zu wünschen übrig.
Schon jetzt konnten wir uns ausrechnen, dass dieser Wels-Trip kein Zuckerschlecken werden würde. Der extrem niedrige Pegel, das klare Wasser und die warmen Temperaturen wirkten sich ungünstig auf das Verhalten der Fische aus. Die kleineren Raubfische schienen ihr Unwesen auf den Sandbänken zu treiben, die „Big Fish“ hingegen schienen im Traum nicht daran zu denken, endlich mal aktiv zu werden.
Unser erneutes Vorhaben endete in einer neuen Zone: Ein kurzes Lehmufer, eingekesselt von Steinschüttungen, sollte uns nun den gewünschten Erfolg bringen. So wurden nochmals alle Montagen überprüft und auf die jeweiligen Plätzen angepasst. Mithilfe von Umlenkern konnte ich die zwei untersten Ruten, über die Steinpackung hinweg, sauber am Fuß präsentieren. Die dritte Rute hinter dem Boot wurde an einem Lehmufer angeboten und flussaufwärts befischten wir den Wechsel von Schüttung auf Lehmufer mit einer U-Posen-Montage und einer Topwater-Montage.
Das Besondere an diesem Bereich war, dass sich in dem kompletten Uferbereich Schwärme von Meeräschen aufhielten. Ich war mir relativ sicher, dass nachts „der Punk abgehen“ würde, wenn die Welse in die Äschenschwärme drückten und unsere Forellen finden würden. Weit gefehlt! Unsere Köder waren die ganze Nacht quirlig und nervös, doch der Volleinschlag fand nicht statt. Außer einem Fehlbiss auf die Topwater Rute passierte ganz und gar nichts. Nun machte sich bei uns doch langsam die  Ernüchterung breit. Diese Nuss muss doch zu knacken sein? Wie knackten wir diese und wo waren die „Dicken“, die Schwergewichtigen, im Fluss zu finden?
Kaffee hilft immer und macht einen klaren Kopf, um anschließend in die Offensive mit der Vertikalangel zu gehen. Eine Angler-Devise musste uns helfen: „Wenn die Fische nicht zu uns kommen, dann kommen wir halt zu ihnen!“ Eine Drift folgte der anderen, bis der ersehnte Tock in der Rute erfolgte. Nach wiederum kurzem Drill kam ein weiterer Meterfisch an die Oberfläche, der eine Güster am Cat Ball attackiert hatte.
Hinfallen, Rute richten, Köder auslegen, aufstehen, Wels angeln, weiter geht’s! Was bei den Frauen mit der Krone funktioniert, muss doch auch bei uns funktionieren. Doch guter Rat war teuer... Für die anstehende Nacht entschieden wir uns für ein Naturufer mit unzähligen Bäumen im Wasser. Grundsätzlich werden diese Flachwasserbereiche von den Welsen sehr geschätzt. Die Räuber liegen hier gern auf der Lauer, um Fische zu jagen, ihre zukünftige Beute zu beobachten oder um einfach nur abzuliegen. Kommt es zu einem Biss mitten im Holz, kann die Situation schnell richtig gefährlich werden, wenn ein gehakter Wels ins Geäst flüchtet. Um dieses zu verhindern, lenkten wir alle Montagen über das im Wasser liegende Holz hinweg und ließen die Schnur nur auf den letzten Metern ins Wasser laufen.
Die erste Rute war gesetzt und stand gerade im Ständer, als sich diese zum Halbkreis bog und die Bremse ihr Lied anstimmte. Wir kamen nicht einmal dazu, eine Hells Bells-Glocke zu montieren. Es funktionierte alles nach Plan. Über die Bäume hinweg arbeiteten wir uns über den Fisch. Dieser zog sofort ins Freiwasser und stromauf. Ein typisches Verhalten von Großfischen. Über 15 Minuten stand der Fisch in der Tiefe und ich hatte kaum eine Chance, ihn dort von der Stelle zu bekommen. Als ich den Druck auf den Wels abermals erhöhte, kam etwas Bewegung in die Sache. Nach einer gefühlten Ewigkeit durchbrach das Vorfach die Wasseroberfläche, gefolgt von einem massiven Schädel. Ein paar Minuten später lag ein voll gefressener, äußerst massiger Wels-Gigant im Boot. Ein greller Aufschrei schallte durch die Po-Ebene und war Ausdruck überschäumender Freude. Diesen Zuckerwürfel hatten wir uns mehr als verdient.
Das Messen ergab eine exakte Länge von 2,30 Metern. Bei uns waren es zwei Micro-U-Posen, die den Giganten zum Biss verleiteten. Wir hatten die Montage offenbar unmittelbar im Unterstand des Räubers präsentiert, denn der Anbiss erfolgte nur wenige Minuten nach dem Ausbringen der Montage. So schnell kann es gehen...

Wir waren der Ansicht, dass wir die Räuber im Holz gefunden hatten, aber wir sollten uns täuschen. Der Auftakt mit dem 230er war zwar verheißungsvoll, sollte aber die einzige Aktion bleiben. Dabei waren die Fische ziemlich gut genährt und standen super im Futter. Normalerweise kenne ich das nur von Hochwasserphasen, eigentlich entsprach das kaum den aktuellen Verhältnissen. Einen Reim konnte ich mir darauf nicht machen.

Die nächsten Tage versuchten wir weiterhin sehr viel. Wir befischten flache Sandbänke, tiefe Steinschüttungen und typische Standplätze, aber es sollte bei dem einen Big Fish bleiben. Insgesamt konnten wir sechs Raubfische überlisten, darunter die eigentliche „Ouvertüre“ von 2,30 Metern. Diese Woche hat mal wieder gezeigt, dass man jede Situation so nehmen muss, wie sie kommt. Trifft man die richtigen Entscheidungen, kann sich der gewünschte Erfolg zügig einstellen. Es ist und bleibt ein schmaler Grat! Aber ab und zu gibt es doch mal diesen „Zuckerwürfel“!

Genießt Eure Zeit am Wasser!

Beste Grüße

Euer
Kevin Weiß