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29.11.2010

Jezera 2010

Das erste Mal vom Kleinboot auf Bluefin Tuna.

Nach langem hin und her war es endlich soweit, wir fuhren im September 2010 zum ersten Mal nach Kroatien, um den kapitalen Thunen auf den Zahn zu fühlen. Schon vor sechs Jahren sollte es dort schon mal hingehen, es wurde aber aus verschiedenen Gründen nie was draus. Wie bei allen neuen Angelzielen und Techniken ist eine gute Vorbereitung wichtiger als alles andere. Es gibt nichts Unerfreulicheres, als wenn man im Ausland steht und irgendein Teil seinen Dienst versagt. So wurden alle namhaften Experten mit etlichen Telefonaten gelöchert, bis ich alles wusste, was mir wichtig erschien und welches Gerät ich zu kaufen hatte. Hier kam dann Fin Nor ins Spiel, was sich später als absoluter Glücksgriff erwies. Ich bestellte dann zwei 80lb Stand up Ruten mit gekrümmtem Handteil. Wichtig sind die großen Wind-On Rollerringe von AFTCO, um das Vorfach mit aufspulen zu können. Dazu die Fin Nor Santiago 50 W, beides zusammen absolut erste Wahl für diese Art der Fischerei!

Am 24.September ging es endlich los. Boot ans Auto angehängt und erst mal 15 Stunden die 1350 km bis nach Kroatien abgerissen. Mein Freund Axel und ich wechselten uns beim Fahren ab und unsere Frauen reichten uns ständig Verpflegung und Getränke. Wir kamen in Jezera dann morgens um 8.00 an. Zuerst haben wir unsere Unterkunft bezogen, danach alle nötigen Lizenzen besorgt (es sind einige, Kroatien hat zwar kaum Gesetze, Geld nehmen sie aber für alles) und das Boot geslippt. Danach wurde erst mal eine Runde geschlafen. Als wir dann am Abend erwachten, regnete es Backsteine. Da ich viel Gewicht in der Kabine hatte, musste ich Barfuß zum Boot waten und mich aufs Heck stellen, um Wasser abzulassen, - so einen Regen habe ich seit Jahren nicht mehr gesehen.

Am nächsten Morgen sah die Welt gleich viel besser aus, aber die Angler sprachen von Bura, einem bösen Fallwind, den ich aber erst richtig zu unserer Abreise kennenlernen sollte. Im Hafen merkte ich nicht viel vom Wind, ich kaufte also meine ersten zwei "Stiegen" Sardinen beim Sardinenmann, der jeden Morgen zwischen 8.00 und 10.00 Uhr zum Steg kommt. Das Dumme ist nur, dass er manchmal gar nicht kommt. Dass dieser mediterrane Zustand nichts für meine eh schon angekratzten Nerven ist, brauche ich nicht zu erwähnen.
Also Sardinen ins Boot und dem Thun entgegen. Nach einer Stunde Fahrt konnte ich schon die hohen Wellen vor der Kornaten-Inselwelt erkennen. Es half nichts, entweder Angeln oder Umdrehen. Wir sind dann bis an den Rand einer 200 Meter Tiefenlinie gefahren und konnten ein anderes deutsches Boot erkennen. Motor aus und erst mal die Lage gepeilt. Als ich die Driftsäcke gesetzt hatte und die Wellen nicht ins Boot schlugen, fingen wir an, die Futtermaschinen zu montieren und Sardinen klein zu schneiden. Das ging bis dahin eigentlich ganz gut, wir stellten die Sardinenwurffrequenz auf 35 Sekunden, was eigentlich viel zu lange ist, wenn man mit mehr als einem Knoten driftet. Danach bestückte ich die Haken mit Köderfischen. Das hatte ich mir einfacher vorgestellt! Ich brauchte mehr als fünf Versuche pro Rute. (mittlerweile sind wir Meister im anködern und Axel wird in Fachkreisen schon "Sardamaster" genannt!). Also, die erste Rute so 50 Meter runtergelassen, Luftballon dran und ca. 50 bis 60 Meter vom Boot weg. Die nächste so 30 Meter runter, und 35 Meter vom Boot weg. Dann kam eine letze Rute rein, komplett ohne Blei, einfach 25 Meter raus und gut. Alle Ruten wurden mit Karabinern und einem Stück Leine gesichert. So trieben wir dann einfach ins Nichts.

Axel hatte mit beginnender Seekrankheit zu tun, ich schaute mir das Ganze an und war mit der Futterspur so zufrieden. Das komische war, dass ich absolut kein Gefühl für diese Art der Fischerei hatte, ich war also weder voller Euphorie, noch dachte ich, ob so jemals ein Fisch anbeißen würde. Wir gewöhnten uns an das Wetter und trieben völlig belanglos vor uns hin.
Nach ca. einer Stunde raste die Freeline los. Unsere dummen Gesichter hättet ihr sehen sollen! Wir entschieden, dass ich den ersten Fisch drillen sollte. Axel kramte den Black Magic Harness raus und ich drillte bereits mit dem Aluteil der Rute in den Weichteilen. Der Fisch hatte ca. 150 Meter der Schnur runter gezogen, das war jetzt nicht gerade extrem fiel, konnte also kein Riese sein. Als ich den Gurt endlich umgeschnallt hatte, lief der Drill total locker, ich hatte ja schließlich oft mit einem 10 kg Eimer vom Boot aus im Carport geübt. Nach ca. zehn Minuten Drill bei zwei Meter Welle kam ein schöner Albacore von ca. 15 kg zum Vorschein! Axel setzte gekonnt das Gaff und als der Fisch im Boot war, klatschten wir uns ab und jubelten wie beim ersten Lachs. Da merkt man erst mal wieder, wie abgestumpft man als Angler mit der Zeit wird!

Nach dem Blutbad an Bord hätte man meinen können, wir hätten ein Schwein abgestochen. Also dem Fisch eine Leine um den Schwanz gelegt und erst mal raus mit ihm. Axel entfernte das Blut und ich ließ gut gelaunt den Köder wieder raus. Mittlerweile hatte der Wind noch weiter aufgedreht, aber wir wollten noch nicht aufgeben. Es dauerte keine zehn Minuten, da raste die gleiche Rolle wieder los! Jetzt war Axel an der Reihe. Wir merkten sofort, das musste ein anderes Kaliber sein. Da wir quer zur Welle drifteten, war es mittlerweile echt schwierig, vernünftigen Stand zu finden. Der nahm ca. 300 Meter Schnur, bis er zum Stehen kam. Ich hatte Axel den Harness schon umgelegt und unterstützte ihn von hinten. Gut, dass das keiner sehen konnte, sah sicher leicht anzüglich aus.

Nach gut 30 Minuten kam ein für uns riesiger Fisch zum Vorschein! Beim ersten Gaffversuch haute ich voll daneben aber beim zweiten Mal saß es dann. Mit vereinten Kräften zogen wir wieder den Fisch ins Boot. Während wir den Fisch versorgten, drehte sich plötzlich die Strömung und wir entschieden uns abzubrechen. Wir hatten nur eine Lizenz und durften nur einen Bluefin am Tag entnehmen. Als wir den Fisch gewogen hatten, waren wir fast ein bisschen enttäuscht. Der Fisch hatte "nur" 38 kg und wir hatten ihn locker über 50 kg geschätzt. Wir benötigten dann für die leicht raue Rückfahrt fast 1,5 Stunden für 17 Meilen. Am Land angekommen, konnten wir uns erst mal (bei deutschen Anglern, die dringeblieben waren) rechtfertigen, wieso wir zwei Thune mitgenommen haben. Auf der Großfisch-Lizenz steht aber ganz klar und eindeutig  Bluefin, Speerfisch und Broadbill. Albacore fällt unter die Kleinfischlizenz, die grüne Karte die wir auch besaßen und für viele Kuna gekauft hatten.

Das Problem in Kroatien ist einfach, dass jeder macht was er will, alle Lizenzen nur in Landessprache ausgestellt sind und die Gesetze nirgendwo nachzulesen sind. Niels, ein befreundeter Angler, gab mir dann Schützenhilfe beim ersten Zerlegen des Thuns. Nicht ganz so einfach, aber wenn man es begriffen hat, kein Problem. Direkt am Schlachttisch wurde Bluefin Carpaccio zubereitet, was für ein Genuss! Am Abend haben wir uns den Albacore dann im Restaurant zubereiten lassen, Wir haben mit 12 Personen davon gegessen und es war noch etwas übrig!

Am nächsten Morgen lernten wir den Sardinenmann dann richtig kennen. Erst irgendwann nach 9.00 Uhr tauchte er auf. Unmöglich für mich. Das Wetter war nun perfekt. Sonnenschein, 23 Grad und kaum Wind. Gegen 10.30 waren wir im Fanggebiet. Um 11.30 Uhr raste dann die Freeline wieder los. Ich war dran und nach hartem, 40 minütigem Drill gafften wir den neuen Bootsrekord. Der musste über 50 kg sein, das war sofort klar. Wieder der gleiche Fehler, Fisch ins Boot, Blutbad, beim anbinden schlug der Fisch mir mit dem Schwanz zur Krönung auch noch zweimal volles Brett ins Gesicht. Hier mussten wir was ändern!

Wir hatten uns in der Zwischenzeit eine zweite Lizenz geholt, denn wir waren der Meinung, dass Thunfischfang unsere leichteste Übung sei, das dem nicht so war, haben wir aber dann in der zweiten Woche lernen müssen. Nach einer weiteren Stunde kam der nächste Biss, erst raste die 30-Meter-Rute los und zehn Sekunden später die Freeline. Doubleheader, dachten wir. Axel drillte im Gurt, ich frei mit AFTCO Handteil im Gemächt. Nach einer Weile merkten wir, dass unsere Fische immer zur gleichen Zeit Schnur nahmen oder stehen blieben. Auf dem Echolot konnte man auch nur einen sehen.

Nach ca. einer halben Stunde kam der Fisch dann das erste Mal in Bootsnähe. Er hatte tatsächlich beide Köder richtig gefressen. Ich stellte meine Rute mit leicht eingestellter Bremse aufs Dach und schnappte mir das Gaff. Der Fisch bemerkte, dass der Zug nur noch von einer Rute ausging. Mit einem gewaltigen Schwall sauste er wieder gen Adriagrund. Mein Haken löste sich aus dem Fischmaul und Axel drillte mittlerweile alleine. Auf dem Echolot konnte man gut verfolgen, wie tief er abgezogen war. Bei 150 Metern Tiefe blieb der Fisch endlich stehen. Axel drillte bis zur totalen Erschöpfung, nach insgesamt einer Stunde war der Fisch dann neben dem Boot. Diesmal gafften wir ihn, ließen ihn aber außerhalb des Bootes. Mit einem zweiten Gaff hoben wir den Schwanz an und banden ihn am Boot fest. Nun konnte der Fisch Außenbords ausbluten. Man lernt halt dazu.

Überglücklich kamen wir um 14.00 wieder im Hafen an. Was will man mehr. Der große wog 67 kg und der kleinere 55 kg. Der größte Fisch in der vorherigen Woche hatte mal gerade 63 kg. Wir hatten halt Anfängerglück! Das Versorgen der Fische dauerte tatsächlich 4 Stunden, bis alles vakuumiert in der Truhe lag.
Am nächsten Tag fischten wir 8 Stunden ohne Biss, erst um 17.00 kam das erlösende Ratschen der Rolle. Ein ca. 12 kg schwerer Albacore, für seine Größe ein absoluter Superkämpfer! Dann begingen wir einen schweren Fehler: wir machten an einem Superfischtag einen Ausflug mit unseren Frauen, alle Teams kamen am Abend mit vielen Thunen zurück. In den nächsten zwei Tagen konnten wir nur einen Blauhai von ca. 25 kg fangen. Haie sind ganzjährig geschützt und wir lösten den Haken. Man benötigt dringend so einen Hakenlöser mit Pistolengriff, 20 cm lang!

Am Samstag hieß es nun Abschied nehmen von unseren Frauen. Die flogen um 8.00 von Zadar nach Köln. Um 7.00 verabschiedeten wir uns von Ihnen und fuhren zurück nach Jezera. Wir wollten eigentlich einen Wartungstag einlegen, da wir um 16.30 schon wieder am Flughafen sein mussten, um unseren Freund Thomas Stauderer vom Bodensee abzuholen. Als wir gerade am Boot schraubten, kam unser Freund der Sardinenmann daher. Wir versorgten uns mit dem nötigsten und fuhren nochmal raus.

Was nun folgte, kann man eigentlich mit normalem Verstand nicht begreifen. Axel fütterte und ich ließ gleichzeitig die Ruten raus. Beim Abstrippen der Freeline gab es plötzlich einen Ruck in der Leine, ich hielt kurz fest, das war aber dann sofort unmöglich. Die Schnur flog nur so von der Rolle. Biss aus der Hand, was will man mehr! Ich war dran mit drillen und konnte nach 25 Minuten einen Fisch um 40 kg fangen. Da wir in 2 Stunden schon wieder im Hafen sein mussten, versorgte ich den Fisch an Bord. Kniend einen Thunfisch zu filetieren ist gar nicht so leicht!

Während des Filetierens bekamen wir einen weiteren Biss. An der Länge des ersten Runs merkte man schon, dass dies ein größerer Fisch sein musste. Axel drillte gekonnt und nach 45 Minuten kam der Fisch an die Oberfläche. Wir entschieden, diesen Fisch zu releasen und konnten ihn ganz leicht außenbords abhaken. Der Bluefin war deutlich über 50 kg. Nach 5 gefangenen kann man dann doch das Gewicht langsam schätzen. Nachdem wir den ersten Fisch versorgt hatten, waren zweieinhalb Stunden um und wir entschieden uns abzubrechen und in Ruhe zum Flughafen zu fahren.

Da wir noch Reste in den Futterautomaten hatten, stellten wir beide Geräte auf Vollgas und spritzten alles mit der Deckswaschpumpe sauber. Wir bauten die Geräte ab und verstauten sie gerade in der Kabine, als die Freeline wieder losraste! Der dritte Thunfisch innerhalb 3 Stunden, Unglaublich. Ich schob den Bremshebel etwas über die Strikeposition, der Fisch raste aber weiter in hohem Tempo davon. Axel hatte bereits die beiden anderen Ruten eingeholt und die Driftsäcke verstaut. Beim Blick über die Schulter musste ich feststellen, dass unser Boot mit 2,5 Knoten rückwärts lief! Nach einer Stunde drill kam der Fisch dann in Sichtweite. Bei ca. 15 Meter Tiefe  konnte man ihn im klaren Wasser schon sehen.
Es war der bisher Größte, das war sofort klar. Als er die Wasseroberfläche erreichte, gab er nochmal Vollgas, wir wurden beide schön nassgespritzt. Der Thun wog über 70 kg, das war klar. Wir entschieden uns trotzdem den Fisch zu releasen, da unser dritter Mann auch noch ein Bild mit Fisch haben sollte. Unsere Gefrierkontingente wären sonst erschöpft gewesen.
Von acht gehakten Thunen hingen sieben schön im Maulwinkel, man kann dann mit der Zange den Haken fassen und den Fisch abhaken. Gut gelaunt ging es dann mit Vollgas zurück in den Hafen. Wir holten Thomas vom Flughafen ab und erzählten ihm von den tollen Fängen, insbesondere von diesem tollen Tag. Er war voller Erwartung und konnte es kaum erwarten, auf’s Wasser zu kommen. Aber an den nächsten beiden Tagen war einfach zu viel Wind. Wir versuchten unser Glück zwischen den Inseln, konnten aber nur für uns unbekannte Kleinfische erbeuten.

Am Dienstag ging es dann endlich wieder los. Wir fischten den ganzen Tag, aber bis auf einen kleinen Schwertfisch, der versuchte unseren Köder zu schlucken, gab es keinen Fischkontakt. Am nächsten Tag konnten wir einen kleinen Hai von 10 kg fangen. Die verbleibenden 2 Tage blieben wir komplett Schneider, also kein Fisch für Thomas. Das tat mir besonders leid, Axel und ich hatten Sternstunden erlebt und erzählten Thomas ständig diese Geschichten. Aber so ist die Fischerei, von Topp zu Flopp und umgekehrt, das kennt jeder, der ernsthaft fischt. Wir packten am Freitagabend unsere Sachen und fuhren nach Hause. Jezera war eine Reise Wert und wir werden nächstes Jahr auf jeden Fall wieder angreifen!

Thorsten Reiß, Team Michelle